Biographie
April 2020 – September 2020: Vertretungsprofessur für das Fachgebiet „Politische Soziologie“ an der Philipps-Universität Marburg (Vertretung von Prof. Dr. Sven Opitz)
Februar 2020 – Mai 2020: Lehrauftrag an der Universität Luzern: Vorlesung „Individuen, Biografien, Medien“ (Vertretung von Prof. Dr. Cornelia Bohn)
September 2019 – Februar 2020: Lehrauftrag an der TU Kaiserslautern, Fachbereich Architektur: Vorlesung „Stadtbaugeschichte(n) – Das Infraordinäre der Stadt. Alltagssoziologische Zugänge“
April 2019 – Juli 2019: Lehrauftrag an der TU Kaiserslautern, Fachbereich Architektur: Vorlesung „Stadtbaugeschichte(n) – Grundlagen einer Soziologie des Wohnens “
Oktober 2018 – Februar 2019: Lehrauftrag an der TU Kaiserslautern, Fachbereich Architektur: Vorlesung „Stadtbaugeschichte(n) – Soziologische Zugänge zur Stadt“
Oktober 2018 - April 2019: Junior Researcher in Residence am Center for Advanced Studies der LMU München
Seit September 2014: Akademischer Rat a.Z. am Institut für Soziologie der LMU München, Lehrstuhl Nassehi
Februar 2014: Promotion zum Dr. phil., Titel der Dissertation: "Bestimmte Unbestimmtheiten. Skizze einer indeterministischen Soziologie"
Juli 2009 - November 2012: Vertreter der wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut für Soziologie der LMU München
November 2007 - Dezember 2017: Redaktionsassistent (Nov 2007 - Nov 2014) und Redakteur (Dez 2014 - Dez 2017) der soziologischen Fachzeitschrift „Soziale Welt“
Oktober 2007 - August 2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der LMU München, Lehrstuhl Nassehi
2007: Diplom in Soziologie, Diplomarbeitsthema: Die soziologische Frage nach der Funktion von Mode - Tout se règle par la mode?
2006 - 2007: Studentische Hilfskraft im Rahmen des Masterstudiengangs Historische Kunst- und Bilddiskurse an der LMU München
2004 - 2007: Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Nassehi und im DFG-Projekt „Ethik und Organisation“ an der LMU München
2001 - 2007: Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Ludwig-Maximilians-Universität München
Habilitationsprojekt
Das Habilitationsprojekt „Biographische Selbstfestlegungen. Zur Funktion von Konversionserzählungen“ startet mit der Beobachtung des Erfolgs eines bestimmten Typs biographischer Erzählung in der gegenwärtigen Gesellschaft und unter gegenwärtigen medialen Bedingungen. Ob auf dem Sachbuchmarkt, in Youtube-Videos, Social Media-Profilen oder Podcasts, man trifft an ganz unterschiedlichen Stellen auf Konversionserzählungen. Derartige Berichte einer persönlichen Ab- bzw. Umkehr stellen zwar nicht den dominanten, aber doch einen signifikanten und bislang nicht ausreichend untersuchten Fall biographischen Erzählens dar. Wenn hier von ‚Konversion‘ die Rede ist, dann soll es allerdings nicht um religiöse, sondern vielmehr um alltagsweltliche Konversionen gehen – ein behandeltes Fallbeispiel wären Berichte des Vegan-Werdens, ein anderes wäre der Wechsel des politischen Lagers. Diese sind aus Sicht des Projekts nicht angemessen beschrieben, wenn darin lediglich so etwas wie Lebensstilwandel entdeckt wird. Vielmehr handelt es sich um Formen der Selbstfestlegung und Selbstbindung durch selbstgewählte Entscheidungen, die – das zeigt sich am empirischen Material deutlich – durch eine Positivwertung von Beschränkung und Freiheitsverzicht, ja nicht selten durch biographische Radikalisierung gekennzeichnet sind. Auf welche Bezugsprobleme solche Konversionserzählungen und Selbstbindungsversuche reagieren, das soll in diesem Projekt an unterschiedlichen Fallbeispielen vergleichend untersucht werden.
Zumindest zwei Bezugsprobleme, auf die diese biographischen Erzählungen reagieren, stechen am empirischen Material immer wieder ins Auge. Zunächst eine Entwicklung, die man als Prozess einer anhaltenden Deinstitutionalisierung des Lebenslaufs bezeichnen kann. Ging man in der soziologischen Biographieforschung bis in die 1980er Jahre von einer zunehmenden Institutionalisierung des Lebenslaufs aus, also der Kennzeichnung des Lebenslaufs durch erwartbare Chronologien mit klaren Ein- und Austrittsereignissen wie etwa Ausbildung, Erwerbsarbeit oder Ruhestand (Kohli 1985), stellt man seit einigen Jahren fest, dass diese erwartbaren Chronologien zunehmend weniger verbindlich werden und auch die klassischen Statuspassagen oftmals weniger sichtbar und vor allem ritualisiert sind (Schmeiser 2006). Es sind auch nicht mehr in erster Linie Institutionen, die den Einzelnen von Außen mit klaren mit Sinndeutungsangeboten und Verheißungen, mit Erwartbarkeit und Reflexionsunterbrechung versorgen – man denke an Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Vereine und Familien –, vielmehr müssen derartige Erwartbarkeiten an das eigene Leben in irgendeiner Form substituiert und womöglich selbst hergestellt werden. Die Konversion und die durch Abkehr einhergehende Selbstfestlegung und Selbstbindung scheint hier eine mögliche, aber freilich nicht die einzige, Lösung zu sein.
Die Konversionserzählung hat daher auch wenig mit biographischem Inkrementalismus oder der Idee einer postmodernen Bastelbiographie zu tun (Beck/Beck-Gernsheim 1993), sondern verweist eher auf eine post-postmoderne Situation. Es geht gerade nicht um ein ironisches Spiel mit biographischen Brüchen oder Ambiguitäten, sondern darum, Selbstbeschränkung als Freiheitsgewinn zu begründen. Es geht mithin um eine Art Selbstfundierung durch Bekenntnis, also den Versuch, ein unverrückbares und nicht weiter verhandelbares Fundament in das eigene Leben zu ziehen. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass Identitätsfragen gegenwärtig wieder so stark und auch allerorts diskutiert werden.
Eine derartige gesellschafts- und institutionentheoretische Beobachtung muss allerdings auch durch ein medientheoretisches Argument ergänzt werden. Denn neben der zunehmenden Deinstitutionalisierung des Lebenslaufs ist es vor allem auch die Proliferation neuer Medien und Formate, die narrative Selbstthematisierungen und Bekenntnisse nicht nur ermöglichen, sondern geradezu provozieren und auch maßgeblich formieren. In Anlehnung an eine Formulierung von Alois Hahn könnte man an dieser Stelle auch von neuen Medien wie Blogs, Onlineforen, Instagram oder Podcasts als „Bekenntnisgeneratoren“ sprechen (Hahn 2000). Daher ist es auch das Ziel dieses Projekts, möglichst unterschiedliches empirisches Material heranzuziehen und zu untersuchen: Neben der Durchführung biographischer Interviews steht auch die Auswertung von Blogs, Forenbeiträgen, Youtube-Videos oder Podcasts im Vordergrund, und gerade daraus soll selbst auch ein medientheoretisches Argument gemacht werden.
Das Projekt verortet sich selbst an der Schnittstelle von soziologischer Zeitdiagnose, Biographieforschung und Kultursoziologie, es sucht ausdrücklich den Kontakt mit literaturwissenschaftlichen, narratologischen und medientheorischen Arbeiten. Es fragt nach den gesellschaftlichen, institutionellen und medialen Bedingungen eines derzeit signifikanten und in seiner Ausbreitung in dieser Form neuen Typs biographischen Erzählens. Die Untersuchung unterschiedlicher alltagsweltlicher Konversionserzählungen versteht sich als ein Beitrag zur Diskussion um biographische Radikalisierungen (gerade auch in bürgerlichen Milieus), um die gegenwärtige Krise universalistischer Begründungen (etwa als institutionalisierte Erwartungen an Lebensläufe und Karrieren) und um die erstaunliche Wucht, mit der in den letzten Jahren Identitätsfragen zurückgekehrt sind.